
"Oh hey !"
(Augustus Owsley Stanley III.)
"Auch das noch ! Es war doch wirklich schon schlimm genug, daß sein Haus durchsucht und sein Labor beschlagnahmt worden war. Warum mußte Owsley ausgerechnet jetzt dafür sorgen, daß es noch mehr Ärger gab?
Am 21. Februar 1965 hatten Beamte der kalifornischen Drogenbehörde ein Haus in Berkeley durchsucht - ein kleines Gebäude, das den Spitznamen ´Die Grüne Fabrik´ trug. Die Drogenfahnder beschuldigten Augustus Owsley Stanley III., ein Methedrin-Labor zu betreiben, beschlagnahmten die gesamte Einrichtung während seiner Abwesenheit und verhafteten einen anwesenden Mitarbeiter.
Spätestens jetzt, wo die Sache in den Akten der Drogenfahnder war, wäre es ratsam gewesen, sich die Haare schneiden zu lassen, sich in einen konservativen Anzug zu zwängen und den unschuldigen Sängerknaben zu spielen.
Aber so war Owsley überhaupt nicht drauf. Im Gegenteil. Beim ersten Verhör erschien der gedrungene Möchte-Gern-Chemiker, Ende zwanzig, so vor der Polizei: kleine Nickelbrille, dunkler Schnäuzer, kleiner Backenbart, lange Koteletten, verwaschene Jeans und schmuddelige Jacke. Beim nächsten schockte er die Polizisten mit schrillem italienischem Aufzug.
Er wirkte eher wie ein Mafiosi, gefährlich, gereizt und grollend, als unterwürfig und ängstlich wie man es - so wie die Dinge lagen - erwartet hätte.
Die Überraschung war perfekt, als es ihm dann wirklich gelang, alle Vorwürfe gegen ihn glaubhaft zurückzuweisen! Er vertrat nämlich schlicht den Standpunkt, daß ´die Grüne Fabrik´ zwar wie ein Drogenlabor ausgesehen haben könnte, aber ganz einfach keines war! Noch irgendwelche Fragen? Tatsache war ja schließlich, daß kein einziges Gramm der chemischen Droge Methedrin gefunden worden war. Owsley war wieder ein freier Mann."
Der amerikanische Journalist Charles Perry beschreibt so in seinem Buch "Haight/Ashbury - A History" , wie die Flower Power Bewegung für ihn ganz persönlich angefangen hat. Er und Owsley lebten zusammen in einer WG in Berkeley. Perry schrieb für das Musik-Magazin The Rolling Stone und war Redakteur der Los Angeles Times. In seiner Berkeley-Kummune war Owsley bald `Mr LSD`. Er wurde reich und berühmt. Die Band The Greatful Dead schrieb einen Song über den LSD-Millionär. Die Hippies trugen seinen Namen auf ihren Buttons. Er war der „heldenhafte Chemiker", dessen LSD zum weltweiten Qualitätsstandard wurde.
Ich sitze wieder bei einer Tasse Tee im Buchladen Great Expectations auf der Haight Street und lese: "Haight / Ashbury - A History". Der Buchhändler erzählt mir, daß Perry und "ein gewisser Owsley alias Mr. LSD", eine zentrale Figur der Hippie-Kultur mal zusammen in einer Kommune in Berkeley gewohnt. - Wußte ich schon. - Dann sucht mir „Nickelbrille" Perry's Nummer aus dem Telefonbuch und ich verabrede mich mit ihm. Mit Charles Perry! So einfach geht das. Mir bleibt noch etwas Zeit, ein paar Seiten zur Vorbereitung zu lesen.
In seiner Berkeley-Kommune wurde dieser Owsley bald reich und berühmt, weil er die Hippies massenhaft mit ihrer Droge versorgen konnte. Für Charles Perry beginnt die Zeit der Flower Power 1965, und sie beginnt mit seinem Freund Owsley. Als ich ihn treffe, sprudelt es nur so aus ihm heraus.
"Er ist sehr vereinnahmend. Owsley ist so der Typ, der zu allem eine Meinung und Theorie hat. Der Schriftsteller Tom Wolfe hat ihn mal so beschrieben: ´Es ist, als ob du mit einem Fernsehapparat redest´. Ich denke, er meinte damit, daß Owsley sagt, was er denkt, ohne auf das einzugehen, was du ihm erzählst.
Diese Eigenschaft machte ihn zum LSD-Millionär. Viele Leute redeten in den sechziger Jahren viel davon, LSD herzustellen. Owsley verlor zwar auch viele Worte darüber - aber er machte es auch. Als die Drogenbehörde sein Labor beschlagnahmte, schaffte er es sogar, alles unversehrt und voll funktionsfähig zurückzubekommen. So war er drauf!
Ich war mal unterwegs in einem Wagen voller Hippies. Owsley ist gefahren wie der Henker und wir hatten haufenweise Stoff dabei. Es war klar, daß uns eine Polizeistreife anhielt. ´Kann ich Ihnen irgendwie helfen, officer ?´, fragte Owsley scheinheilig mit der Mine des unbescholtenen Bürgers - und - ob du´s glaubst oder nicht - wir sind ungeschoren davongekommen.
Die Streife ließ uns einfach weiterfahren. Später mußte ich noch einmal an diese Szene denken, als ich den den Film STARWARS sah. Darin sagt Obi-Wan Kenobi irgendwann: ´These people can go!´ und der Polizist antwortet: ´Yes, these people can go!´ Was ich damit sagen will: Owsley konnte die Leute mit seinem ausgeprägten Selbstbewußtsein und seiner starken Persönlichkeit einfach überrumpeln, nach dem Motto: ´Du kannst mir gar nichts - Ich bin Owsley !´
Mit größter Selbstverständlichkeit bestellte Owsley später eine Substanz, mit der man LSD herstellen konnte. Und das gleich in gigantischen Mengen. Er gründete eine Scheinfirma, die Bear Research Group und behauptete dreist, er benötige diese Mengen für seine umfangrei-chen Tierversuche. Nun war es aber so, daß das Land Kalifornien immer noch die Laborgerä-te hatte, die die Polizei während der Durchsuchung beschlagnahmt hatte.
Owsley wollte sie wiederhaben. Es war schließlich seine Ausrüstung und er wollte sie selbst-verständlich auch benutzen. Er verklagte selbstbewußt die kalifornische Behörde und - bekam sein Labor zurück! Unbeschädigt und voll funktionsfähig. Und nachdem er von den Behörden sein Arbeitsgerät zurückbekommen hatte, verschwand er, um ein paar Wochen mit seiner Freundin Melissa - einer Chemiestudentin mit warmen intellektuellen Augen - in Los Angeles zu verbringen. Als die beiden im April 1965 nach Berkeley zurückkehrten, hatten sie, was sie wollten: LSD.
Zu ihrer eigenen Überraschung war es wirklich LSD. Und es war sehr starkes LSD. Es war das stärkste LSD, das sie je hatten, verheerend starker Stoff. Bis zum Sommer '65 hatte er genug Grundstoff für eine Million LSD-Trips zusammen! Und sein LSD war wesentlich stärker als das anderer Hersteller. Ich war in dieser Zeit sein Versuchskaninchen für seine allererste LSD-Serie. Er jubelte mir das Zeug eines Morgens auf einer kleinen Vitaminpille unter. Ich schluckte sie völlig ahnungslos, und es war der helle Wahnsinn: Das war der stärkste Trip, den ich je hatte! ´Oh hey!´ - Diese ersten Trips waren einfach zu heavy! - ´Wir hätten vielleicht nur die Hälfte von dem Stoff nehmen sollen´, sagte er mit gewohnter Unschuldsmiene. Aber selbst als er später behauptete, die richtige Dosierung gefunden zu haben, war es immer noch ganz außergewöhnliches LSD. Eine halbe Stunde, nachdem ich die Pille geschluckt hatte, hielt ich mich für das Gemälde eines alten Ägypters.
Aus meinen Ellbogen und Knien flossen Hyroglyphen an der Wand runter, aber so schnell, daß ich sie nicht lesen konnte. Als ich ihm nach ein paar Tagen davon erzählte, sagte Owsley bloß lapidar: ´Ah, genau ! - Du hattest was von der ersten Serie. Oh hey, die war einfach zu stark. Du hättest besser nur die halbe Dosis genommen !´
So ein Buchladen ist was Geiles. Und erstmal dieser hier in der Haight Street # 1512 Ich entdecke immer mehr Literatur zum Thema LSD, finde Timothy Leary und was Wissenschaftliches über LSD und über einen gewissen Schweizer namens Hofman.
Leary beschreibt 1964 das Phänomen LSD so:
"The wish for instant paradise is as old as man himself. For ages, people have searched for artificial means to improve their condition, and drugs have played an important role in this quest. With its emphasis on consciousness, on internal, invisible, indescribable phenomena, with its multiplication of realities, the psychedelic experience is dreadfully incomprehensible to one committed to a rational, protestant, achievement-oriented, behaviorist, equilibrated, conformist philosophy."
Lysergic Acid Diethylamide, zu deutsch Lysergsaures Diethylamid, abgekürzt LSD ist feinste schweizer Qualitätsarbeit: 1938 synthetisiert Dr. Albert Hofmann in einem Labor der Chemiefirma Sandoz den Stoff, aus dem später die Träume der Hippies werden. Hofmann forscht mit dem Stoff, weil er einem Aufputschmittel chemisch sehr ähnlich ist. Es dauert aber noch weitere fünf Jahre, bis Hofmann diesen Vermerk in sein Notizbuch einträgt:
"Vergangenen Freitag, es war der 16. April 1943, mußte ich meine Arbeit im Labor nachmittags unterbrechen und nach hause gehen. Ich verspürte eine sonderbare Ruhelosigkeit, und mir war dabei leicht schwindelig. Zuhause angekommen, legte ich mich etwas hin und war wie angetrunken, was nicht unangenehm war.
Charakteristisch war meine extrem rege Phantasie. Ich ließ meine Augen geschlossen, weil mir das Tageslicht unangenehm hell vorkam und lag völlig verdutzt da, als ein ununterbrochener Strom plastischer, fantastischer Bilder von außergewöhnlicher Brillianz und Klarheit über mich hereinbrach. Die Bilderflut nahm ich außerdem in einem kaleidoskopähnlichen sehr intensiven Farbenspiel wahr. Dieser Zustand hielt ungefähr zwei Stunden an und ließ dann allmählich nach."
Hofmann sagt später, daß diese erste Empfindung sehr schwach gewesen sei und aus sehr geringen Bewußtseinsveränderungen bestanden habe. Er ist sich sicher, daß diese erste LSD-Erfahrung durch die zufällige Aufnahme des Stoffes durch seine Fingerspitzen ausgelöst worden ist. Am folgenden Montag Morgen bereitet Hofmann 0,25 Milligramm LSD vor, was er für eine sehr kleine Dosis hält und macht die folgende Eintragung in sein Notizbuch:
"19. April 1943, 16.20 Uhr: 0,25 Milligramm LSD oral zugeführt. Die wässerige Lösung ist geschmacklos. 16.50 Uhr: Keinerlei Spur irgendeiner Wirkung. 17.00 Uhr: Leichtes Schwindelgefühl, Unruhe, Konzentrationsschwierigkeiten, Sehstörungen, ein starkes Bedürfnis zu lachen...".
An dieser Stelle brechen die Aufzeichnungen Hofmanns ab. Erst am folgenden Morgen schreibt der Chemiker weiter:
"Die letzten Worte konnte ich gestern nur mit großer Mühe schreiben. Ich bat meine Laborassistentin, mich nach Hause zu begleiten, weil ich glaubte, daß mein Zustand derselbe wie am vergangenen Freitag sei. Noch als wir zu mir nach hause radelten merkte ich plötzlich, daß die Symptome wesentlich stärker waren als beim erstenmal. Ich hatte große Schwierigkeiten, zusammenhängend zu sprechen, mein Gesichtsfeld veränderte sich ständig und alles vor mir bewegte sich und Gegenstände erschienen verzerrt wie in einem gebogenen Spiegel.
Ich hatte das Gefühl, mich überhaupt nicht von der Stelle bewegen zu können. Meine Assis-tentin sagte mir aber später, daß wir gemeinsam ein gutes Tempo geradelt seien. - Bis der Arzt mich bei mir zuhause sah, war der Höhepunkt der Krise schon vorbei.
Soweit ich mich erinnern kann waren dies die herausragenden Symptome: Schwindel, Sehstörungen, die Gesichter der Menschen empfand ich als lächerliche bunte Fratzen; deutliche motorische Unruhe, ein Gefühl der Schwere in Kopf, Körper und Gliedern, als ob ich aus Metall wäre, Krämpfe in den Beinen, kalte Hände und taube Finger, ein metallischer Ge-schmack auf der Zunge; eine trockene und wie zusammengeschnürte Kehle, Erstickungs-gefühle, abwechselnd Verwirrung und wieder klares Bewußtsein über meinen Zustand, in dem ich mich dann auch selbst immer wieder wie ein unabhängiger, neutraler Beobachter, verrückte und alberne Dinge schreien oder unzusammenhängendes Zeug stammeln hörte.
Manchmal schien es mir auch so als hätte ich meinen Körper verlassen und würde im wahrsten Sinne des Wortes physisch neben mir stehen. Immer wenn ich meine Augen schloß, wallte eine nicht enden wollende Woge von realistischen und fantastischen, farbenprächtigen Bildern in mir auf. Bemerkenswert war außerdem, daß alle akustischen Wahrnehmungen (zum Beispiel das Geräusch eines vorbeifahrenden Autos) in optische Signale umgewandelt wurden! Jedes Geräusch löste eine entsprechende Farb-Halluzination aus, die sich dann ständig weiter in Form und Farbe veränderte.
Der Arzt stellte einen schwachen Puls aber einen ansonsten stabilen Kreislauf fest. Gegen sechs Uhr bin ich eingeschlafen und am nächsten Morgen irgendwie erschöpft aber ansonsten fit aufgewacht. Ich fühlte mich gut."
