"Stars shining bright above you
night breezes seem to whisper: I love You.
Birds singing in the sycamore tree
dream a little dream of me.
Say nighty-night and kiss me.
Just hold me tight and tell me you' ll miss me.
While I'm alone and blue as can be
dream a little dream of me.
Sweet Dreams till sunbeams find you
sweet dreams that leave all worries behind you
but in your dreams - whatever they'll be:
dream a little dream of me!"
I
ch fahre auf der Golden Gate Bridge durch eine dichte Nebelwolke. Ich habe einen x-beliebigen der -zig Radiosender eingeschaltet als es passiert: Es ist wie ein Traum, wie für mich arrangiert, wie ein musikalischer Brückenschlag zwischen 1967 und heute, genau 40 Jahre später: Im Radio läuft genau in diesem Moment, in dem ich die Wolkenwand durchbreche und die Stadt unter blauviolettem kalifornischem Himmel vor mir liegt, die passende Begrüßungsmusik:
"If you're going to
Be sure to wear some flowers in your hair
If you're going to San Francisco
you gonna meet some gentle people there
Gentle people with flowers in their hair"
(aus: San Francisco", Scott McKenzie)
Natürlich hab´ ich auch Blumen im Haar: Es sind die blauvioletten Blüten einer kalifornischen Heavenly Blue Morning Glory. Die richtige Einstimmung für Tom Travellers Recherchen in Sachen Flower Power. Hier & jetzt in Nordamerika auf der Suche nach den Hippies und was von ihnen übriggeblieben ist. Das hätte sich der kleine Tom auch nicht träumen lassen - Was waren das wohl für Leute, diese Flower Power People ?
"All across the nation
such a strange vibration
people in motion
there's a whole generation
with a new explanation
people in motion
people in motion"
(aus: "
Was waren das für strange vibrations, die eine ganze Generation in Bewegung gebracht haben? Alles, was ich über die Hippies weiß, weiß ich aus zweiter Hand, aus der Zeitung.
Die Reporter, die im Sommer 1967, dem Höhepunkt der amerikanischen Hippie-Bewegung, nach San Francisco kamen, fanden die 75.000 jungen Leute im Golden Gate Park, oder im schillernden Viertel um die Straßen Haight und Ashbury, entweder beängstigend oder amü-sant, auf jeden Fall aber ziemlich verrückt: Die Journalistin Sabina Lietzmann beschreibt 1967 ihre Haight/Ashbury-Eindrücke in der FAZ so:
"Wir sind in eine Hippie-Kommune geraten, in eine Lebens- und Wohngemeinschaft von jungen Verächtern der bürgerlichen Gesellschaft. Schlägt man den Batik-Vorhang zurück, der hier als Tür dient, herrscht zunächst Finsternis. Bevor das Auge sich orientieren kann, werden Geruchssinn und Gehör berührt. Es riecht nach Weihrauch und anderen betäubenden Räucherhölzern, dazwischen zieht in Schwaden der süßliche Geruch von Marihuana-Zigaretten heran. Fernöstliches Saitengeklimper zirpt aus der Musikanlage, aber offenbar wird gerade irgendwo Band oder Platte ausgewechselt, denn jetzt dröhnt ohrenbetäubender Rock and Roll heran. Nun nehmen wir auch die Gestalten wahr, die am Boden hocken oder liegen, auf Kissen, Teppichstücken oder auf der blanken Diele. Junge Leute mit Cherubsgesichtern, die von Locken gerahmt sind, bestickte Stirnbänder um den Kopf, Ketten aus dicken Perlen um den Hals und Glöckchen an den Füßen. Ein Knabe hat den nackten Oberkörper mit Blumen bemalt, und ein Paar, dem ein schlafender Säugling vor den Füßen liegt, starrt blicklos glasig vor sich hin, offenbar ´high´ auf einem ´trip´".
Der Stern schreibt 1967 über die Hippies von San Francisco:
"Die Hippies sind Nachfahren jener amerikanischen beatniks, die entdeckt hatten, daß man nicht unbedingt im amerikanischen Lebensstil leben muß, um glücklich zu werden. Sie entziehen sich der Tretmühle Arbeite-und-zahle-Steuern so weit wie möglich, weil sie weder breiteren Straßen für mehr Autos noch größeren Fabriken für bessere Kanonen etwas abgewinnen können. Sie leben anspruchslos in anspruchslosen Buden, schreiben Gedichte, machen Musik und malen."
Schnell werden die Hippies zu einer anziehenden Jugendbewegung. Immer mehr kids pfeifen auf ein wohlbehütetes bürgerliches Leben in der amerikanischen Wohlstandsgesellschaft, pfeifen auf den gedeckten Tisch ihres Elternhauses, lassen Schule oder Arbeit sausen, packen Kerzen und Räucherstäbchen in ihre Rucksäcke und raffen sich auf zu einem langen trip. Ziel der Jugend Amerikas ist die Westküste, ist San Francisco.
"This following programme is dedicated
to the city and people of
who may not know it, but they are beautiful .
And so is their city.
This is a very personal song,
so if some of You cannot understand it,
particulary those of You, who are european residents,
save up all your bread
and fly TRANSLOVE AIRWAYS to San Francisco
- Then maybe you'll understand the song.
It will be worth it.
If not for the sake of this song
but for the sake of Your own peace of mind."
(aus: "San Franciscan Nights", Eric Burdon)
Weiter schreibt der Stern 1967:
"Ihre Bewegung nennen sie ´flower power´ - eine Analogie zu der Negerbewegung ´black power´. Die flower children predigen aber nicht Gewalt, sondern Liebe. ´Make love not war´ ist einer ihrer Slogans. Gelegentlich mischen sie sich unter politische Demonstranten, Atomwaffengegner zum Beispiel, Vietnamkriegsgegner oder unter die amerikanischen Bürgerrechtler. Sie schmücken sich mit Blumen und verteilen sie an Passanten und Polizisten. Der Begriff ´hippie´ entstammt der Sprache schwarzer Jazzmusiker im Amerika der dreißiger Jahre und bedeutete in seiner ursprünglichen Form `hip´ soviel wie ´weise´ und ´erfahren´. Hippies reisen viel - von San Francisco nach London, von London nach Amsterdam, von Amsterdam nach nach Kathmandu, von Kathmandu nach San Francisco."
Das ist in irres Gefühl, in so alten Zeitungen zu stöbern, sag´ich euch. Jugendliche aus ganz Amerika liessen sich in den sechziger Jahren die Haare wachsen, hüllten sich in weite Kleider und hängten Ausbildung oder Beruf ersteinmal an den Nagel. Es waren die dropouts, die Aussteiger. Leute, die die Nase voll hatten von zuhause, die ihren eigenen american dream von Freiheit und Abenteuer träumen - und abhauen.
"On a dark desert Highway
cool wind in my hair
warm smell of collitas
rising up to the air.
Up ahead in the distance
I saw a shimmering light
my head is going heavy
and my sight is going down
I had to stop for the night.
There she stood in the doorway
I heard the mission bell
and I was thinking to myself:
this could be heaven
and this could be hell.
Then she lit up a candle
and she showed me the way
therewere voices on the corridor
I thought I heard them say:
Welcome to the Hotel California !"
(aus: "Hotel California", The Eagles)
Ich stelle mir die Hippies ziemlich genauso vor, wie die jungen Penner am Kölner Hauptbahnhof oder die freaks aus der Kölner Bauwagensiedlung in ihren wunderschönen, teilsweise sicher selbstgebauten Holzwagen mit Sofas, Tischen, Kuschelecken unter hohen Bäumen im Volksgarten, wo ich sie zuletzt gesehen habe: eine wilde, schöne Mischung aus Zigeuner-Platz, Wanderzirkus und Baustelle. 20 bis 30 junge Freaks, Penner, Musiker, Philosophen, Säufer, Junkies, Katzen, Hunde und Ratten leben in ihren Wagen.
Das müssen so Typen wie die Beatniks und Hippies mit genau den Wünschen und Lebensentwürfen der sechziger Jahre sein, denke ich mir. Ich habe in Köln vor meinem Trip in die Staaten jemand getroffen, die ein bißchen mehr von den Hippies und Beatniks weiss, als ich, die TV-Journalistin Andrea Reischies. Ich hab´ sie interviewt, und das hat sie mir ins Mikrophon erzählt:
"Ich bin Andrea Reischies. Ich war 1966/67 in den USA, in Kalifornien als Austauschschülerin. Drogen waren natürlich verboten. Klar. Man durfte nicht mit Pfennigabsätzen in die Schule gehen. Man mußte Sandalen anziehen, die hinten 'nen Riemen hatten, damit se nich klappern. Wenn man in die Schule kam, dann mußte man stehen, wenn der Lehrer reinkam. Das war bei uns auch schon längere Zeit vorher abgeschafft worden. Und jeden Morgen vor dem Unterricht standen wir alle auf und sagten ´I pledge religion to the flag of the United States of America´ undsoweiter. Alkohol war unter 21 gänzlich verboten.
Rauchen unter 18 verboten. Wenn man erwischt wurde, wurde man drei Tage von der Schule suspendiert. In meiner Schulklasse waren die Jugendlichen alle so um die 16 bis 18. Ich hab' immer gedacht: Mensch irgendwo muß sich doch hier das Leben abspielen! Das kann doch nicht die Schule gewesen sein! Das kann doch nicht dieses Leben zuhause in unserem Häuschen sein und dem sonntäglichen Gottesdienst und war dann zum Beispiel auch mal inner Disco. Das war so'n vielleicht ganz bezeichnendes Erlebnis. Da spielte die Hot Chocolate Watch Band und ich hatte mich riesig drauf gefreut.
Das war 'ne Riesen-Discothek, ja mit Live Musik und mit Tanz und irgendwie so'n Raum, wo man rumsitzen und quatern konnte. Und dann hab' ich sofort bemerkt, daß ringsrum Bullen standen bis an die Zähne bewaffnet und ich mich schon einigermaßen irritiert fühlte - übrigens, was ich vergessen hab' zu sagen: auch da war diese Disco unterteilt, muß man sich vorstellen, von den Leuten bis 21 und ab 21, weil in dem einen Raum ja kein Alkohol getrunken werden durfte. Eigentlich hätten se jetzt noch die von 18 bis 21 trennen müssen wegen Rauchen, ne, aber das ham se wohl gelassen.
Jedenfalls in dieser Jugendlichen-Disco mit der Live-Musik standen die Bullen und ich hab' se gefragt ´warum seid ihr da ?´ und die ham gesagt, ja, es würde eben soviel gekifft und Alkohol getrunken, obwohl es eben verboten wär', daß es jederzeit zu Auseinandersetzungen käme und sie eben vorbeugenderweise da wären.Diese ganze Gesellschft, so wie ich sie erlebt habe, die muß einfach dazu reizen, was anders zu machen und das ganze zu boykottieren.
Also man muß da einfach Unsinn machen. Das kann man gar nich aushalten! Hätte ich da die ganze Zeit gewohnt, weiß ich nicht, ob ich dann so angepaßt gewesen wäre wie meine Mitschüler oder ob ich nicht auch rebelliert hätte und auch Schule Schule sein lassen und mich nach San Francisco abgesetzt hätte. Keine Ahnung. Und das war damals übrigens auch 'ne Diskussion, ne, ob das so sinnvoll ist, die Schüler jeweils so in ihren Ghettos zu halten, ne. Und, also das nimmt einem dann einfach auch die Stimmung. Sicherlich provoziert es die Jugendlichen dann erst recht, irgendwie Shit zu rauchen oder so, um zu gucken: wie weit komm' ich damit. Es ist wirklich so ein Unterschied gewesen zwischen dem, was sich da im Zentrum von San Francisco abgespielt hat und sozusagen unserer Vorstadt San Jose, das ist unbeschreiblich ! Also ich war öfter da, immer mit meiner Familie allerdings, da ham wer natürlich viel angeguckt, aber sind immer einen großen Bogen um Haight/Ashbury gefahren. Wir sind dann mal heimlich da gewesen und ich hatte das Gefühl, also ich bin irgendwie weg aus diesem puritanischen San Jose und diesem Schulalltag: da waren kleine Cafes und Buchläden und Flugblätter wurden verteilt und da liefen eben wirklich die Hippies rum, beziehungsweise, äh, damals ham wir ja immer noch Beatniks gesagt. Hippies hab' ich mal definiert als die ´ernsthaften Beatniks´. Die wollten eben wirklich ein anderes Leben führen. Dat war nich einfach nur, daß se sich ein paar Sandalen, die hoch geschnürt waren, angezogen haben, sondern die hatten da auch eben wirklich was vor im Kopf und 'ne andere Philosophie."
"Support the native people
they'll watch out for you
support the latino people
their spirit will be with you !
Support the livin'
in the cities' ghetto
of
Support the farmers.
Why ? Hell ! - They take care of you !
Support the rastas
support the old folks
they'll bring the wisdom along !"
(David Whitaker)
In alten Zeitungen zu stöbern und Leute aus der Zeit zu interviewen, ist ´ne gute Sache, besser ist aber immer noch der eigene Eindruck. Haight/Ashbury will ich mir schon lieber selber angucken als mir bloss Geschichten darüber anzuhören. Und da geschieht zum zweiten Mal auf dieser Reise etwas ziemlich Ungewöhnliches: Ein drahtiger Kerl steht plötzlich vor mir im Hippieviertel von San Francisco und lacht mich an. Auf seiner dunklen Jacke steht in allen Regenbogenfarben: Beatniks, Hippies, Punks and Skins - a free Rainbow Generation ! Er hüpft auf dem Gehweg der Haight Street wieselflink von einem Bein auf's andere. Genauso habe ich mir immer Rumpelstilzchen vorgestellt !
"Bist du Franzose ?", fragt er mich und streckt mir seine Rechte entgegen.- "Angenehm, Tom Traveller, Reporter. From WDR Cologne, Germany", antworte ich, knapp und ein wenig genervt von seiner ewigen Rumhüpferei. -
"Ah, ein Deutscher ! Wie geht's ? Hey, wenn du was über mich lesen willst, dann guck einfach in irgendeine Biographie über Bob Dylan und such´ nach David Whitaker. Yeah, da kannst du lesen wie alles angefangen hat, man."
"Bürgermeister" von Haight Ashbury - und Poet. Kaum hat er das ausgesprochen, schnappt er sich frech mein Mikrophon und legt rappend los:
"Support the kids
hip-hoppin', punk-rockin', rappin'.
Support the kids and they'll be right there by your side.
Support the people and they'll support you.
You are so many to oppose the few
(I'm talking about the rich motherfuckers up there).
Feed the people
they'll feed you
like the Diggers
´food not bombs´
encourage one another
support one another
love one another
families, tribes, communities"
I believe in that.
But borders - just a line on their map
let live flourish !
We are brought together for a reason
and that reason is:
we complete one another
like Yin and Yang
old and young
man and woman
Rock 'n' Roll"
(David Whitaker)
Wer ist dieser Mensch ? Er macht mich neugierig. Bürgermeister der Hippies ? - Eigentlich genau das, was ich suche. Vielleicht kann er mir helfen und ein bißchen erzählen, was vor 25 Jahren hier los war und was davon übriggeblieben ist. David Whitaker überlegt nicht lange und sagt sofort zu - aber nicht heute. Er ist auf dem Weg zu einer Demo, um gegen die Verhaftungen zu protestieren. Ich hab' keine Ahnung worum es geht.
"Ich seh dich morgen !", ruft er mir im Weggehen noch zu. "Hol mich doch bei mir zuhause ab: 984 Valencia, direkt neben dem Glaser-Geschäft, dann zeig' ich dir meine Stadt !" und verschwindet an der nächsten Kreuzung in der Ashbury Street. - Weg isser.
Was hat er da erzählt von wegen Bob Dylan-Biographie und das er auch drin vorkommt ? - Ich bin ein bißchen skeptisch und mein Blick fällt wieder auf den Buchladen gegenüber. Great Expectations - Haight&Ashbury Bookstore steht über der schmalen Holztür. Ich bin gespannt. Drinnen frage ich nach irgendeiner Dylan-Biographie. Der Händler - Typ Nickelbrille, lange Haare, dunkler Vollbart - murmelt den Namen Bob Spitz und zeigt auf eines der hohen Regale. Auf einem der Buchrücken lese ich in Großbuchstaben DYLAN. Na also. "Bob Dylan - eine Biographie von Bob Spitz". Ich blättere ein bißchen in dem dicken Wälzer und bleibe auf Seite 93 hängen:
"Eines Abends, es war Mitte März 1960, drängte Gretel Bob Dylan, mit ihr auf die Party einer Schulfreundin zu gehen. Als die beiden dort ankamen war ihnen sofort klar, daß dies der ödeste Ort in der Stadt war. Studenten standen in kleinen Gruppen zusammen und redeten über Chruschtschow, die Pille und den militärisch- industriellen Komplex.
Keine Gitarre weit und breit. Der übliche Haufen intellektueller Quadratköpfe...mit Ausnahme eines quirligen kleinen Burschen mit dem Namen David Whitaker, der durch das Zimmer hüpfte. David Whitaker war ein wirklich ungewöhnlicher Zeitgenosse - ein Energiebündel, wild, ungezähmt. Ein begnadeter Geschichtenerzähler, der stundenlang von seinen Reisen und Abenteuern erzählen konnte.
Sein Vater war Jude, seine Mutter indianischer Abstammung. 1957 hatte es ihn nach San Francisco gezogen, wo er sich den Beatniks anschließen wollte. Beatniks waren die Geschlagenen und Ausgestoßenen, die Beat Generation. Es war eine jugendliche Subkultur, die sich von den damaligen bürgerlichen Normen abwandte. Es war die Protestbewegung der späten 40er Jahre, deren Lebensgefühl vor allem vom Pazifismus geprägt war. Es war eine produktive kulturelle Strömung. Ein Schlüsselwerk ist der Roman ´On the road´ von Jack Kerouac.
Alan Ginsberg war in den 60er Jahren Sprecher dieser Protestbewegung. Die Beatniks begehrten auf gegen das Establishment und suchten Bewußtseinserweiterung durch Drogen und Meditation."
David und Meditation - zwei Welten prallen aufeinander. Aber es ist eindeutig der Typ, den ich vor ein paar Minuten auf der Haigt Street getroffen habe. Meine Erwartungen steigen, Great Expectations. Ich blättere weiter in der Dylan-Biographie.
"Bob und David wurden unzertrennliche Freunde. Sie hingen jeden Tag gemeinsam irgendwo rum. David der Lehrer und Philosoph, Bob sein ergebener Student. Er erzählte von Marx und Lennon und wurde Bob Dylans erster wichtiger Guru. Seine Geheimwaffe war der Samen von ´Heavenly Blue Morning Glory´, der natürliche Grundstoff für LSD. Bob war jungfräulich und wußte nichts ! Whitaker drängte ihn, seinen Horizont zu erweitern, nahm ihn mit auf seine erste Demonstration. Gemeinsam erforschten sie die Musik Jimmy Rogers. Gedichte von Allen Ginsberg verschlangen die beiden regelrecht. Und Bücher.
Whitaker war eine Leseratte. Es ging das Gerücht um, daß sein Name auf keiner Ausleihkarte einer Bibliothek fehlte. So fand Bob Dylan den Schlüssel seines eigenen Daseins, eine Lebensphilosophie, die er greifen konnte.
Eine alte Ausgabe von Woody Guthries ´Bound for Glory´. Bob Dylan hatte seinen Gott gefunden. Guthrie hatte geschrieben, wovon Dylan nur träumte. Tröstende Worte, Ermu-tigung und Unterstützung für all' die, die mit Geld und Karriere nichts am Hut hatten: die kleinen Leute, Bauern, Malocher, Cowboys, drifters and dreamers, Streuner und Träumer. Woody's Lieder waren geradeaus und brachten es auf den Punkt.
Wenn man seiner Musik lauschte, entstanden schöne Bilder vom Leben auf dem Lande, wie-tes, offenes Land from California to the New York island, from the redwood forest to the Gulfstream waters. Musik machte ihn an. Bob Dylan lebte in dieser Musik, atmete sie ein und aus und merkte nicht einmal, daß David Whitaker ihm seine Freundin Gretel ausspannte und sich in eine heiße Liebesaffaire mit ihr verstrickte.
Es war der 20. Mai 1960 als sie es ihm beichteten: Gretel war schwanger. Wie konnten Gretel und David so etwas tun ? Obwohl seine Beziehung zu Gretel platonisch war, betrachtete Bob sie als seine Freundin, auch wenn sie nie miteinander geschlafen hatten. - Und David ! Sein bester Freund ! Er fühlte sich betrogen:
"You better talk to her ,buddy
you're her Lover now
everybody that cares
is going up the castle stairs
but I'm not locked in a castle honey
it's true: I just care for your call.
I can't even remember
You never had to be faithful
I never wantet you to grieve
oh why was it so hard for you ?
If you don't wanna be with me:
Just leave !"
(aus: "She´s Your Lover Now", Bob Dylan)
"David Whitaker schien alles zu gelingen, was er sich in den Kopf gesetzt hatte: er war gebildet, belesen wie kein anderer, konnte sich ausdrücken, war innovativ und arrogant, nahm sich, was er brauchte - aber er war nicht ehrgeizig. Ihm fehlte diese Eigenschaft, die das alles zusammenhalten konnte: Leidenschaft. - Dylan aber brannte vor Leidenschaft. Er war ein Träumer und er träumte von einer Karriere als leidenschaftlicher Poet und Sänger. Und er brauchte es, daß seine Träume wahr würden.
Bob Dylan hatte 1964 damit begonnen, unter dem Einfluß von LSD zu schreiben und es bestand kein Zweifel daran, daß LSD seine Songtexte drastisch verändert hatte. Die halluzinatorischen Eigenschaften dieser bis 1966 legalen Droge eröffneten ihm völlig neue Landschaften der Poesie. Die Qualität seiner Songs veränderte sich, seine Lieder wurden persönlicher, feinfühliger, farbiger, brillianter. Im August 1964 traf Dylan John Lennon und mußte feststellen, daß die Beatles Jungfrauen in Sachen LSD und dope waren. Die Beatles hatten noch nie dope geraucht! Unglaublich - Jungfrauen!
Bob Dylan ließ es sich nicht nehmen, drehte ein paar joints, zeigte Ringo wie man richtig inhalierte und führte die Beatles damit feierlich ins Zeitalter der Drogen ein. - Der Sommer 1967 zog die Aufmerksamkeit weg von Bob Dylan und lenkte das öffentliche Interesse zu einem anderen Kulturphänomen - den Hippies. Amerikas Blumenkinder standen plötzlich im Rampenlicht und ihre Musik war der Rock 'n' Roll.
Zweifellos war dies die Musik des Sommers der Liebe. Musik vom Feinsten. Es war die Glanzzeit des Rock 'n' Roll: The Rolling Stones, das Album ´Sgt. Pepper's Lonely Heart's Club Band´ von den Beatles, The Mamas and the Papas, Jimi Hendrix und Jefferson Air-plaines ´Somebody to love´".
Die Blumenkinder essen Love-Burgers, hauchen dem Besucher ein fröhliches drop out, turn in, tune in ! entgegen. Zu deutsch frei übersetzt etwa: "Steig aus und komm zu uns ! Klink dich ein !" . Die Hippies versammeln sich im Sommer der Liebe zu Massenkonzerten in den Parks von San Francisco und geben freizügig jedem und jeder zu essen und zu trinken, was sie zuvor im Supermarkt gekauft oder auch einfach so mitgenommen haben:
Drop out, turn in, tune in. Auch hier ist ein Tisch gedeckt und an der frischen Luft schmeckt es sowieso viel besser als bei Papi und Mami ! Und nicht nur zum Thanksgiving - Fest holt man hier die Armen und Ausgestoßenen an den Tisch zum Truthahn-Mahl. Hier sind alle eingeladen. Jederzeit. Umsonst und draußen. Einen ganzen Sommer lang. Kommt nach
"Welcome to the Hotel California
Such a lovely place
such a lovely face
plenty of room at the Hotel California
any time of the year
you can find it here"
(aus: Hotel California, The Eagles)
Ein Hippie-Komittee mit der programmatischen Namen Summer of Love sucht im Mai 1967 kostenlose Quartiere für das größte Hippie-Festival, das die Welt je gesehen hat. Das Kommitte sucht außerdem ein geeignetes Gebäute für ein Hippie-Hotel California. Die Free Clinic behandelt tausende von Patenten kostenlos.
Die Diggers kommen mit der kostenlosen Essenverteilung kaum nach. Erwartet wurden ein paar zehntausend Blumenkinder - es kommen 75.000! Die Generation der 15 bis 35jährigen findet die Freiheit, die sie sucht und auch das Abenteuer: Sie ruft die sexuelle Revolution aus und genießt die freie Liebe ausgelassen und splitternackt unter klarem, kalifornischem Himmel.
Es ist wie ein Traum in düsteren Kommunen beim süßen Duft von Räucherstäbchen und psychedelischer Musik. Die einen versuchen, bewußt zu leben und zu genießen, was es zu genießen gibt. Die anderen führen politisches Straßentheater auf, machen sich lustig über die Polizei oder blockieren die Universität von Berkeley mit einem gewaltfreien sit in und werden von der Polizei verprügelt.
So demonstriert die nordamerikanische Jugend der Mitt-Sechziger spektakulär gegen das establishment und engagiert sich phantasievoll für gleiche Bürgerrechte und Freie Meinungsäußerung. Oder sie protestiert am Oakland Army Terminal, wo Männer und Munition nach Vietnam ausgeschifft werden, gegen den Krieg . Die beiden Zentren der neuen Jugendbewegung sind San Francisco auf der einen und Berkeley auf der anderen Seite der Bay, nur 5 Meilen voneinander entfernt.
Hier ist es das Straßenviertel um Haight- und Ashbury Street, dort ist es das Universitätsgelände, der Campus. Zusammen sind diese beiden Bewegungen schlicht The Movement und beinflussen sich gegenseitig in den Jahren bis 1969, der Zeit der großen Jugendrevolte.
Und das nicht nur in den Vereinigten Staaten von Amerika. Auch in Asien und Europa sind die vibrations, die Erschütterungen, die kalifornischen Beben zu spüren. Sie beeinflussen das Fühlen, Denken und Handeln einer neuen Generation. LOVE & PEACE sind angesagt.
Es ist eine neue Generation im Aufbruch, durchaus auf der Suche nach Freiheit und Abenteuer, dem american dream, aber auch mit einer großen Sehnsucht nach einer Alternative zum american way of live der Eltern. California dreamin´ ist angesagt. Die kids träumen den süßen Traum vom harmonischen Miteinander ganz unterschiedlicher Menschen, der sie morgen bis nach Woodstock bringen wird - und übermorgen noch viel weiter.
