Mittwoch, 4. Juli 2007

Oh, oh Ostsee

"Hier Wollenweber, WDR Köln, guten Tag." - "Ja, wir sind standby. - Gut. Ich geb´mal rüber hier." - "Alles klar." - (Musik-Programm läuft, wir sind schon auf Sendung) - "Tom, wir würden gerne auch ein paar Zwischenfragen stellen, geht das ?" - "Ja, ja, wenn ich diese Taste hier loslasse - wie jetzt zum Beispiel - dann könnt ihr reden. Wir machen keinen Alleingang!" - "Es geht also immer nur in eine Richtung." - "Ganz genau." - "Nach der Musik geht´s los!" - (Musik jetzt im Vordergrund, Ina Deter) - (dann kommt Rhein - Weser - Moderator Michael Brocker:)

So, bitte gut festhalten, Schwimmwesten anlegen, denn wir begeben uns auf Hohe See, auf die westliche Ostsee, dort nämlich schippert die Petrine herum. Petrine, das ist ein alter Segler, auf dem sich derzeit hauptsächlich Postgewerkschaftler aus Nordrhein-Westfalen herumturnen anläßlich eines Bildungsurlaubs, den der Bielefelder Verein Arbeit und Leben organisiert. Auch der Kollege Tom Traveller ist an Bord, meldet sich jetzt per Seefunk, Tom, worum geht es denn, um Arbeit oder um Leben? -

Heute drehte sich in den ersten Stunden alles um Arbeit, denn während eines gewaltigen Regenschauers mußten wir sämtliche Segel setzten, es gab also zehn Minuten Regen, und wir haben dann den Flieger, das Klüver-Segel, Fock, und ich war für das Großsegel zuständig, all das mußte hochgezogen werden, um jetzt bei einem recht kräftigen Wind, der aus Südwest kommt, mit ungefähr - da muß ich mal eben gucken - 7,5 Knoten, das ist recht schnell für so ein altes Schiff wie dieses hier, dieser alte Frachtensegler, mit dem früher Äpfel aus dem Hamburger Alten Land über die Elbe, die Nord- und Ostsee geschifft wurden und auf der Ostsee haben wir angefangen in Kiel im Institut für Toxikologie des Professors Wassermann, wo uns erzählt worden ist, was alles drin ist in der Ostsee an Giftstoffen, aber auch an Fischen - das haben wir uns vorher im Aquarium angeschaut - und so den Bogen auch geschlagen zu Nordrhein Westfalen, zu Köln zum Beispiel, wo die Autoabgase, ein großer Teil davon auch dazu beitragen, daß die Ostsee sehr stark gedüngt ist. Die Stickstoffe aus den Autoabgasen bewirken, daß im Augenblick unwahrscheinlich viele kleine Algen zu sehen sind, die in den nächsten Tagen sicher dazu beitragen werden, daß an der Ost- und Nordseeküste wieder diese bekannten Schaumkronen auftreten werden, und das haben wir hier schon gerade im Entstehen beobachten können. -

(Moderator:) Wie wird es denn jetzt weitergehen auf diesem Segeltörn in Sachen Umwelt ? Was machen Sie konkret ? - Da geb´ich Ihnen vielleicht mal Ingrid Jütting, eine der Mitbe-gründerinnen von Greenpeace Deutschland, die auch mit auf dem Schiff segelt, als Expertin sozusagen, neben einigen Meeresbiologen, die kann Ihnen sagen, was an Inhalten noch auf dem Programm steht. -

(Ingrid Jütting:) Ja, schönen guten Tag, wir wollen Meereskundliche Geräte hier an Bord benutzen, wir haben eine ganze Menge an Equipment dabei, wir wollen uns die (Seefunk-Störung) ...und Ostsee anschauen, in diesem Kurs also der Ostsee. Und was wir versuchen wollen, ist, die Leute, die zu uns an Bord kommen, dafür zu sensibilsieren, daß sie, obwohl sie in Aachen, Köln oder sonstwo in der Bundesrepublik wohnen, mit den Gefährdungen hier an der Ostsee eine ganze Menge zu tun haben. Dazu arbeiten wir in verschiedenen Arbeits-gruppen zu Themen wie kommunale Verantwortung, oder Verbraucherinnen, Verbraucher, Tourismus, all diese Bereiche sind Belastungsfaktoren für die Ostee. Und jeder, auch wenn er denkt, daß er weit entfernt wohnt, hat doch - und das kann man auf diesem Öko-Trip erleben - mit der Petrine, hautnah damit zu tun. Wenn Sie so wollen, liegt Köln also auch am Wattenmeer.

(Moderator:) Ja, ja, das kann ich so abstrakt nachvollziehen, aber sagen Sie uns doch noch ein, zwei konkrete Beispiele, was dort gemacht wird. -

(Ingrid Jütting) Wir fahren jetzt im Kleinen Belt. Also wir sind gekommen aus der Schlei, aus der Schleimünde von Kappeln und wir fahren jetzt in die dänische Südsee, in eben diesen wunderbar, reizenden Teil rund um diese vielen kleinen Inseln im Kleinen Belt, Ärö, Strinö, Liö, und uns weiterhin mit den Schönheiten und der Belastung dieses Lebensraumes beschäf-tigen. / Niemand kann heute mehr sagen, er habe nichts gewußt und das heißt: was wir natür-lich wollen, ist umweltfreundliches Verhalten zu fördern und viele Anstöße zu geben im Rah-men dieser Woche, so daß jeder an seinem Arbeitsplatz, in seinem Haushalt, in seiner Stadt und Gemeinde, in Parteien, in Gewerkschaften, überall dort sich einsetzen kann und jeden Tag wieder neu entscheiden kann: Bleibt er länger Teil des Problems oder wird er Teil der Lösung!

Wir wollen dann diesen Bildungsurlaub abschließen am Samstag mit einem Planspiel einer Ostseekonferenz und werden mit unseren Geräten an Bord noch drei Probenserien veranstalte, wir werden also Wasser- und Sedimentproben hier aus diesem Bereich im Kleinen Belt hochholen und an Bord analysieren. Wir werden eine Planktonanalyse machen und uns die Sedimente und das Wasser unter dem Mikroskop anschauen und dann auch genau sehen können wie die Belastungssituation ist. All´ das werden wir je nach Wetter- und Strömungs-verhältnissen in den nächsten Tagen an verschiedenen Stellen absolvieren, um dann schließ-lich - wie gesagt - mit dem Planspiel einer Ostseekonferenz, wo wir eine ganze Menge Maßnahmen auf den Tisch packen werden, was wir verwirklichen würden, wenn wir´s denn könnten, zu enden. -

(Moderator:) A propos Wetter, vielleicht doch nochmal der Kolle Tom Traveller kurz zum Schluß: Wie sieht´s denn aus, Sie werden ja wahrscheinlich eine Langfrist-Wettervorhersage eingeholt haben. Holen Sie sich nasse Füsse ? -

Die Wettervorhersage reicht vielleicht für die nächsten drei, vier Tage, und die sieht sehr gut aus. Wie gesgt, wir haben einen kräfigen Wind von Südwest. Der Wind soll so bleiben, also ideales Segelwetter. Und unsere Position im Augenblick: 55 Grad nördliche Breite und zehn Grad östliche Länge und 5 Minuten, so ist die ganz genau, hat mir eben unser Kapitän Jochen Storbeck - ein Mann, dessen Gesicht von Wind und Wetter gegerbt ist - Nein! Er ist ein 31 Jahre alter Mann aus dem Lippeland, der Jochen Storbeck, und der hat uns gerade diese Position genau mitgeteilt.

Und auch er war ist sehr optimistisch, was das Wetter angeht. Wir hatten eben den einzigen starken Regenfall, als wir die sieben Segel gehißt haben, damit kann man schon ganz schön im Wind liegen, und eben ist so´n richtiges Mantafeeling aufgekommen, als also Käpt´n Storbeck nebenan so´n anderen Zweimaster sah und wir dann noch ein Segel obendran gesetzt haben, da haben wir dann unsere Siebeneinhalb Knoten erreicht, im Moment sind es sieben Knoten, also langsame Fahrradgeschwindigkeit. Wir haben ja auch nicht das Ziel ein Wettrennen zu veranstalten... -

(Moderator:) Nee, sonst müßten Sie auch den Lastensegler tieferlegen, das geht ja sonst gar nicht anders! Tom Traveller war das von der Petrine, von diesem Lastensegler aus der Ostsee. Schönen Dank.

Dienstag, 3. Juli 2007

Es war einmal ein Meer

"Wie schwer ist es doch,

zugleich alt und jung,

ein Weiser und ein Kind

zu sein!"

(aus: Das Meer, Jules Michelet)


"Also das ist die Schoot," erklärt Julia, die Bootsfrau und zeigt dabei auf ein Seil, das an dem Hauptmast befestigt ist. „Und das", sie zeigt auf das Segel darüber, „ist der Springer."

- "Springer?", echot Ulli und denkt dabei eher an eine beschauliche Partie Schach.

- "Ja." - " Guck mal, jetzt mach ich hier noch..."

- "Soll ich hier gegenhalten, wenn die ziehen ?" unterbreche ich Julia.

"...nee, Du mußt nur ein bißchen lose geben, Tom.

Mein Platz ist das Großsegel. Es ist ein Riesending! Mit beiden Händen halte ich das dicke Tau umklammert, an dem es hängt und warte auf weitere Kommandos.

„Und jetzt noch das Fall und die Spiere!"

- "Was ?"

- "Fallen heißen ja immer die Taue, an denen man die Segel hißt..." -

25 Leute sind wir auf der Petrine, einem umgebauten 85 Jahre alten Zweimaster mit sieben Segeln. Die Petrine ist der einzige noch erhaltene deutsche See-Ewer, ein traumhaft schöner, ehemaliger Frachtensegler mit wechselvoller Geschichte. Mit viel Liebe innen und außen restauriert eingerichtet, segelt der grüne Ewer mit seinen strahlend weißen Segeln über die Ostsee. An Bord sind nicht mehr Kies oder Äpfel wie früher, sondern zum Beispiel die junge Gruppe der Polizei- oder Postgewerkschaft, zahlreiche andere Jugendgruppen, Teamer der Naturschutzorganisationen BUND und GREENPEACE sowie drei Männer und Frauen Besatzung inclusive Kapitän.

„So, und wir setzen das Segel jetzt," fährt Julia geduldig fort, „indem wir am Fall ziehen, den Springer, dieses Tau, halten wir erstmal fest. Aber wir geben... nein, du nimmst das am Besten in der Hand auf, daß du das ganze Seil hast, und dann geben wir lose, ja?! Also man darf keinen Zug drauf halten, sonst hat das Fall so Schwierigkeiten, hochzukommen."

- "Also ich muß praktisch nur das Tau hier festhalten", versichert sich Anja mit skeptischer Mine.

- "Ja, genau."

- "Na, das krieg´ich ja vielleicht noch hin." -

"Wir setzen das dann durch..." -

"...daß sich´s nicht vertüdelt."

- "Und einer muß an die Schoot, an diesem anderen Ende, und da muß auch erstmal so´n bißchen durchgezogen werden, aber die Hauptarbeit ist erstmal das Fall. Und wir setzen das Segel in Lee, so wie bei dem da, ja?! - Wollen wir das mal machen ?

Vom Segeln haben wir alle keine blasse Ahnung: Learning by Doing ist Julias Devise. Und das wird auch schnell zu unserem Motto dieses Bildungsurlaubs auf hoher See. Mensch und Meer heißt der Veranstalter im norddeutschen Arnis. In Nordrhein Westfalen besorgt - getragen von DGB und Volkshochschule - das Bielefelder Bildungswerk Arbeit und Leben die Organisation. Versprochen wurde uns Umweltbildung, Abenteuer und echtes Segelfeeling an Flieger, Klüver, Fock, Großsegel und Besan. - Ach, ich bewundere Julia um ihre Geduld und Gelassenheit. Aber dafür ist jetzt eigentlich keine Zeit, ich muß mich ja voll auf mein Großsegel - Seil konzentrieren, ich meine natürlich das Tau mit dem das Segel gehißt wird, das mit diesem besonderen Namen, damit man es auf gar keinen Fall mit anderen Tauen verwechselt - Fall, genauso heißt es! - Schiff ahoi! Hauptsache ich habe mein Fall fest im Griff!

„Hast du das Fall gut in der Hand?, erkundigt sich Julia promt bei mir.

Ich strecke ihr als optischen Beleg beide Hände entgegen. - Mein Fall ist fest umklammert.

„Gut. - Wer geht an die Schoot...?

Während Julia uns weiter einteilt, erzählt Ulli mir vom Besan-Segel für das er mit drei weiteren Seglern verantwortlich ist und wie er damit umgeht:

"Das Besansegel, das ist das Segel hinten an dem zweiten Mast, über dem Ruder, über dem Steuermann, und wenn die Segel gesetzt werden, dann muß ich erstmal mit den anderen zusammen diese Schnürchen, die das Segel da an dem unteren Mastbaum da festhalten, losmachen, bis auf eins, damit nachher das Segel hochgezogen werden kann. Dann müssen zwei Leute an das vordere und hintere Tau von dem Besansegel gehen, womit man die hochzieht und auf Kommando von unserm Chef, von unser´m Kapitän wird dann auch noch das letzte kleine Tau von dem Segel gelöst, und man muß so ziemlich gleichzeitig das vordere und das hintere Tau am Mast entlang runterziehen und oben geht das dann über ´ne Rolle und zieht das Besansegel hoch. Da muß man gut aufeinander abgestimmt arbeiten. Das ist gar nicht so einfach!"

Dann endlich ruft unser Kapitän:

"So, Topsegel-Schoot ist belegt, und jetzt am Strecker zieh´n. Alles was drin ist! Einen noch am Strecker! Und dann auch da belegen." -

- "Poooaah, noch einer ?!" stöhnen die drei am Strecker.

- "Und zieh !" -

"So ist der Strecker gut ! Jetzt könnt ihr belegen."

- "Hasse ?"

- "Ja!" -

„Dann noch die losen Enden aufschießen, und dann ist alles klar am Besan."

Siebeneinhalb Knoten macht der alte Segler mühelos. Käpt´n Storbeck aus dem Lipperland hat die Petrine schon mit 11 Knoten über die Ostsee gejagt - das ist immerhin ... langsame Fahrradgeschwindigkeit. Aber um´s Tempo geht´s ja auch gar nicht, eher um umweltfreundliche Fortbewegung. Eine Woche lang werden wir auf der Ostsee leben und lernen, Segel setzen, in der - gerne und treffend so genannten - dänischen Südsee kreuzen, kleine Inseln besuchen, im Flachwasser staken, Wasser- und Bodenproben entnehmen, kleine Krebse, Würmer und Schnecken sammeln, arbeiten und forschen, Gemüse putzen, Brot und Kuchen backen, diskutieren und dösen, uns den Kopf freimachen und den frischen Wind in den Haaren spüren, unter freundlichem nordischem Himmel. Und abends an Deck zusammensitzen, Geschichten erzählen und die Gitarren auspacken.

Friedrich Wilhelm Nietzsche, 1844 bis 1900, Philosoph:

"Es gibt noch eine andere Welt zu entdecken - und mehr als eine! - Auf die Schiffe, ihr Philosophen!

Jochen Storbeck, 31, Seemann, rund hundert Jahre später:

"Also bei mir war das vor allem dann im Sommer 1990, als ich so mit meinem kleinen Schiffchen unterwegs war, und so vier oder fünf Wochen im Wattenmeer mit Wind und Gezeiten gelebt habe und ohne Maschine im Schiff und nur immer geguckt: Woher weht der Wind ? Und wie läuft der Strom ? Und dann gesegelt und gesegelt und hatte dann eigentlich so recht keine Lust mehr, ins Landleben zurückzukehren und mir gedacht: Mensch, wär die Petrine nicht vielleicht doch was ?! - Ja, und bei Wolfgang war es so, daß er sich gedacht hat, in puncto Umweltbildung isses doch so, daß, wenn die Sache mit ´nem Schiff verbunden is und über diesen Anreiz des gemeinsamen Segelns und so sich sowas sehr viel besser an den Mann und an die Frau bringen läßt, und ob es nicht möglich wäre, ein Schiff ganz speziell für diesen Zweck auszustatten.

Wolfgang ist ja heute Vorsitzender des Vereins Mensch & Meer und mir gehört das Schiff, obwohl wir das damals abgelehnt haben und gesagt haben, beide ganz spontan: Nee, is nix für uns, hat das dann doch, also unabhängig voneinander monatelang in uns gearbeitet, ne.

Ja, und als wir dann im Herbst so darüber sprachen, da kamen wir dann schnell auf die Idee, man müßte das machen, also daß man ein Schiff speziell für Meeres-Schutz-Seminare ausrüstet und auch mit der entsprechenden Atmosphäre an Bord und entsprechenden Geräten an Bord und allem. Da haben wir dann ´ne gute Lösung gefunden, daß ich also mitfahren konnte und das Schiff kennenlernen, das Leben auch mit anderen Gruppen kennenlernen konnte - das Schiff läuft ja nicht das ganze Jahr für Umweltbildung, sondern auch für andere Zwecke, für Jugendgruppen und Behindertengruppen und all´sowas und ich hatte so auch Möglichkeiten, so dieses Publikum kennenzulernen, mit dem Schiff zurechtzukommen. Und dann eben im Winter so diejenigen Verbesserungen am Schiff vorzunehmen, die ich notwendig fand."

Jochen Storbeck sitzt mir gegenüber in der Kapitänskajüte, auch Navi genannt, weil hier der ganze Navigationskram ist: Kartentisch mit Kompaß, UKW Radiotelefon, ein Navigationsrechner, Radar und Funktelefon.

"Ja, dann ging das los mit dem Umbau. Da is das Schiff gesandstrahlt worden, hat einen neuen Farbaufbau gekriegt, es is ne neue Küche reingekommen und eine neue Kammer. Dann wurde hier oben die Navi umgebaut, an der technischen Ausrüstung was verbessert und vor allem eben die Sicherheitsausrüstung, die nicht den Vorschriften genügte, also mit Feuerlöschanlage für den Maschinenraum, Rauchmelder und all´so´n Kram, feuerfesten Maschinenraum, feuerfest ausgekleidet, dann wurde die Maschine auseinander-gepflückt und überholt, also das einzige Mal, daß ich wirklich so fertig war, daß ich dachte: "Jetzt schaff ich´s gleich nicht mehr!", das war, bevor die erste Gruppe an Bord kam.

Also, das war eigentlich bald mehr Arbeit, als den Sommer über jetzt, das Schiff im Winter eben auf den Stand zu bringen, den es jetzt hat, ne. Und im nächsten Winter will ich halt wieder aufgelaufene Schäden ausbessern und auch noch was an der Substanz verbessern. Jetzt will ich ja mal so langsam von den absoluten Notwendigkeiten wegkommen zu so Sachen, die mir auch ein bißchen Spaß machen würden, oder die schon ein bißchen was Spezielleres sind wie zum Beispiel eine Solaranlage oder an den Kammern was verbessern, na ja, die Kammern geh´n ja im Grunde genommen so, da machen die Leute ja doch nich mehr drin als drin pennen, aber man kann es noch ein bißchen schöner machen. Dann kriegen wir ein Vakuum-klo jetzt endlich geliefert, das wird eingebaut.

Und so muß halt in jedem Winter so zwei, drei Monate Arbeit ins Schiff gesteckt werden. Jetzt sind zum Beispiel neue Segel fällig. Die sind jetzt zehn Jahre alt und, ja das sind 320 Quadratmeter Segel, die neu müssen. Das ist allerdings mehr oder weniger nur ´ne organisatorische Aufgabe, weil ich kann nu mal keine Segel nähen. Also muß ich gucken, daß die Sache möglichst billig wird, mir das Material aus Schottland besorgen, wahrscheinlich Segelnäher aus Polen, das ist im Moment so die Lösung, die sich so als die günstigste herauskristallisiert.

"Stockholm, 29. Juli 1994: Algenpest an schwedischer Küste. - Ein breiter Gürtel blaugrüner Giftalgen bedroht die schwedische Ostseeküste. Die Algensuppe erstreckt sich von der südlichen Ostsee bis in die Stockholmer Schären und hat bei der Insel Gotland und südlich von Stockholm auch Badestrände erreicht. Die Algen, die eigentlich Zyanbakterien sind, können Hautausschlag, Brechreiz und Durchfall bewirken. Für Kinder oder Tiere kann es sogar tödlich sein, wenn sie von dem algenverseuchten Wasser trinken. Das Aufblühen der Algen ist eine Folge des warmen Wetters und der Umweltbelastung der Ostsee. Durch die Überdüngung des Meeres und dessen hohen Stickstoffgehalt, verursacht durch die Einlei-tungen aus Landwirtschaft, Industrie und Verkehr, wird das Algenwachstum gefördert. Der schwedische Meeresbiologe Gunnar Aneer rät davon ab, dort zu baden, wo man die blau-grünen Algen sehen kann. Hundebesitzer sollten die Vierbeiner hindern, von dem verseuchten Wasser zu trinken, da bereits ein zehntel Liter davon eine tödliche Dosis sein kann."

Die Ostsee ist ein sehr spezielles Gewässer. Von mehr als 200 Flüssen Dänemarks, Deutschlands, Schwedens, Norwegens, Finnlands, der baltischen Republiken, Polens und Rußlands gespeist, schwillt sie im Frühjahr durch Fluten abtauender Schnee- und Eismassen der umliegenden Landflächen an. Fast 500 Kubik-Kilometer Flußwasser gelangen jedes Jahr in die Ostsee. Ein Blick auf die Landkarte verdeutlicht die Besonderheit und Einzigartigkeit dieses Meeres.

Die Ostsee, oder das Baltische Meer, liegt als ein Nebenmeer des Atlantischen Ozeans einge-bettet in den europäischen Kontinent und ist so nahezu ein Binnenmeer. Nur an einer schma-len Öffnung im Nordwesten findet über Kattegat und Skagerrak ein Wasseraustausch mit der Nordsee statt. Etwa 750 Kubikkilometer Seewasser strömen jedes Jahr von der Nordsee in die Ostsee. Hoch oben, im Nordosten, im Bottnischen Meerbusen oder im Finnischen Meerbusen dauert die Erneuerung des Wassers bis zu 50 Jahre lang.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. Juni 1994, Zitat:

"Bau der Öresund-Brücke beschlossen. Schwedischer Umweltminister aus Protest zurückge-treten. Die schwedische Regierung hat am Donnerstag beschlossen, nun doch die Brücke über den Öresund nach Dänemark errichten zu lassen. Aus Protest gegen diese Entscheidung trat Umweltminister Johansson, der den Bau der Brücke umweltgefährlich nannte, zurück. Er hat-te sich dafür eingesetzt, den Bau der Brücke zu verhindern, obwohl die Regierung Carlsson unter der Voraussetzung zugestimmt hatte, daß die Brücke nicht die Strömungen zwischen Nord- und Ostsee beeinflussen werde."

Die „tageszeitung“, Berlin, 17. Juni 1994, Zitat:

Öresund: Grünes Licht für Autolobby. Das umstrittendste Verkehrsprojekt Norddeutschlands ist besiegelt. Die Kosten werden auf bis zu sieben Milliarden Mark geschätzt. Nicht nur für Schwedens Umweltminister Johansson ist der ökologische Knackpunkt die Frage des Wasser-durchflusses in und aus der Ostsee. Umweltschützer befürchten eine Art Sperreffekt durch die Brückenpfeiler und zwei künstliche Inseln, die im Öresund aufgeschüttet werden sollen. Der Wasserstau soll durch andauernde Ausbaggerungen im Flachwasser behoben werden, welche zu erheblichen Verschlammungen und Vertrübungen führen dürften."

Die Agentur Reuters meldet am 4. Juli 1994, Zitat:

"14 Konsortien wollen Brücke über den Öresund bauen. Der Bau der 16 Kilometer langen Verbindung, die aus einem Netzwerk von Tunneln und Brücken bestehen wird, soll bis zum Jahr 2000 abgeschlossen sein."

Handelsblatt, 3. August 1994, Zitat:

"Öresund-Brücke: Projekt tritt in die Realisierungsphase. Protest der Umwelt-schützer. Ein dänisch-schwedisches Konsortium wird voraussichtlich vor der Jahreswende die Bauaufträge zur Querung des Öresunds vergeben und hat bereits acht Unternehmensgruppen nominiert. Deutsche Teilnehmer: Bilfinger + Berger, Dyckerhoff & Widmann, Hochtief, Philipp Holz-mann und Strabag. In den Visionen vieler Verkehrspolitiker wird die Öresund-Querung nur eine von drei Ostsee-Brücken sein. Olof Johansson trat am 16. Juni aus Protest zurück. Das Thema bleibt für die Wahlkämpfe erhalten, die in beiden Ländern anlaufen: Schweden wählt am 18. September, Dänemark im Dezember."

Wegen der nur schmalen Verbindung zum freien Ozean ist das Wasser des Baltischen Meeres weitaus salz- und sauerstoffärmer als das anderer Meere. Das ist schlecht für die Pflanzen und Tiere. Die Ostsee ist nur ein Drittel so salzig wie die Nordsee. Der Einstrom von salzigerem und sauerstoffreicherem Nordseewasser erfolgt in Bodennähe. Besonders stark war er 1952, 1976 und 1993. In diesen Jahren stiegen Salz- und Sauerstoffgehalt - besonders in den tiefen Wasserschichten - sprunghaft an. Dennoch leben weitaus weniger Tierarten hier als in der Nordsee.

In der mittleren Ostsee gibt es nur etwa 40 Fischarten, in der Nordsee sind es mit 120 Arten dreimalsoviel. Bei Muscheln und höheren Krebsen sind es beim Vergleich der beiden Lebens-räume sogar fast neunmal soviele Arten in der Nordsee! Die Erklärung ist naheliegend: Den Salzwasserfischen ist es zu süß, und den Süßwasserfischen zu salzig in der Ostsee. Die ver-bleibenden vergleichsweise wenigen in der Ostsee lebenden Pflanzen und Tiere sind regel-rechte Überlebenskünstler. Sie haben sich den besonderen Bedingungen angepaßt und können sowohl in Salz-, Süß- und Brackwasser existieren. Auf diese Weise sind sie in einem weltweit einzigartigen und hochempfindlichen Ökosystem vereint.

Es ist in erster Linie das Süßwasser der mehr als 200 Flüsse, das den unver-wechselbaren Charakter des deshalb so salzarmen Baltischen Meeres bestimmt.

Süßwasser.

Der Fluß Kalix Älf zum Beispiel entspringt in Schweden und mündet im Norden der Bottenwiek in die Ostsee. Andere der insgesamt 200 Ostsee-Zuflüsse sind: Oder, Weichsel, Düna, Newa, Dvina, Wista, Ljungan, Livo Joki, Lapuanjoki, Faxälven und so weiter...

Mit diesen schwedischen, finnischen, russischen, deutschen und anderen Flüssen gelangt eine gefährliche Fracht in die Ostsee. Das liegt zum einen an der dichten Besiedelung der ihrer Küstengebiete und zum anderen dem geringen Austausch mit dem Atlantik.

Auf ihrem Weg ins Baltische Meer müssen die Flüsse eine Vielzahl von Schadstoffen aufnehmen und weitertransportieren: Pestizide und Nährstoffe von Acker- und Weideland, organische Chlorverbindungen aus Chemiefa-briken an ihren Ufern, giftige Schwermetalle aus zahlreichen Bergwerken und Fabriken der Papier- und Zellstoffindustrie - den immer noch stärksten Verschmutzern der Ostsee. Ungenügend oder überhaupt nicht geklärte Abwässer aus den Dörfern und Städten Nordeuropas fließen zusätzlich in die Ostsee. Und sogar über die Luft gelangen große Mengen Schadstoffe aus Haushalten, Industrie und Verkehr ins langsam sterbende Meer.

Jahr für Jahr kippen die Fluß- und Küstenbewohner der Ostsee große Mengen Schadstoffe in das Wasser und belastet so das empfindliche Meer stark. Jahr für Jahr sind es 5.000 Tonnen Quecksilber.

Quecksilber.

Jahr für Jahr sind es 15.000 Tonnen Zink, Blei, Kupfer und Arsen.

Blei und Arsen.

50.000 Tonnen Bestandteile unterschiedlicher Ölzusammensetzungen.

Öl.

Fast 60.000 Tonnen Phosphor.

Phosphor.

Nicht näher bekannte Mengen hochgiftiges Lost, auch Senfgas genannt und andere militärische Kampfstoffe wie Phosgen und Tabun liegen auf dem Ost-seeboden Mindestens 200.000 Tonnen. Wahrscheinlich 300.000 Tonnen.

Lost oder Senfgas. Hauptkampfstoff, militärische Bezeichnung: Gelbkreuz. Wirkung: zerstört das Hautgewebe, Schädigung von Augen, Schleimhaut und Atemwegen, Schädigung der Blutzellen und des Organismus, Krebs, je nach Menge tödlich.

Phosgen. Lungenkampfstoff, militärische Bezeichnung: Grünkreuz. Bei Auf-nahme über Atemwege hochtoxisch. Tod durch Ersticken.

Tabun. Nervenkampfstoff. Militärische Bezeichnung: Grünring III. Wirkung: starkes Nervengift. 400 Milligramm töten einen Menschen innerhalb von einer Minute.

Senfgas, Phosgen, Tabun, Tod.

Aus der Luft und mit der Gülle von den Feldern der Schweden, Finnländer, Esten, Letten, Littauer, Russen, Polen und Deutschen gelangen sogar eine Million Tonnen Stickstoff als Dünger in die Ostsee.

Dünger ?

Absolute Flaute. Kein Lüftchen regt sich. Das ist schlecht für unseren Segler. Stechende Hitze und keine Wellen. Das ist gefährlich für den Sauerstoffgehalt des stehenden Wassers unter uns.

"Heute Nachmittag war Flaute. Wir sind mit dem Schiff zwischen die dänischen Inseln rausgefahren und haben dann dort geankert, und was da angesagt war, für mich, da hab´ ich die ganze Zeit drauf gewartet, war Ganz - Körper - Wasser - Analyse. Zu diesem Zweck bin ich vorne auf den Klüver-Baum gestiegen und diese fünf Meter da runter gesprungen ins Wasser. Und das war ganz toll! Man mußte nur verdammt aufpassen: Da waren lauter Quallen im Wasser.

Und so jede hundertste Qualle, die war etwas anders gefärbt und hatte sehr lange Tentakeln und wenn man sie berührt, brennt´s fürchterlich, dann ist es nämlich eine Feuerqualle gewesen, aber das Rumschwimmen da um das Schiff rum, das war schon toll, einmalig. Das hab´ ich unheimlich gerne gemacht.

Hab´s sogar noch kurz vor einer Arbeitsgruppe gemacht, das führte etwas zu Verstimmungen, aber ich war pünktlich da und hab´ die Arbeitsgruppe halt naß mitgemacht.

Unheimlich viele Quallen, aber die durchsichtigen Quallen, die Ohrenquallen zu berühren, das ist überhaupt nicht unangenehm, wenn man´s erwartet, daß sie da sind. Wenn man sie plötzlich so berührt, dann isses glibberig, dann isses unangenehm, aber wenn man so scharf is auf´s Schwimmen wie ich da mitten im Meer, dann siehst du darüber hinweg!"

Bei der Affenhitze muß Abkühlung einfach sein. Da kann auch der wabbelige Quallenteppich nicht abschrecken, der in einer meterdicken Schicht unter der Wasseroberfläche treibt. Die Ostsee ist jeden Tag anders, mal wild und grau mit weißen Gischtkronen, mal spiegelgatt, ruhig und kobaltblau.

"Ich fand heute die Flaute unheimlich toll, und das war auch eine unheimlich tolle Stimmung heute, vom Licht her da über dem Wasser. Man konnte sehr weit sehen. Überall waren Schiffe, Segelschiffe, Yachten, auch Dampfer fuhren da rum, auch Kreuzfahrtschiffe, und die, die am Horizont langfuhren, die sahen aus heute, als ob die schwebten, denn das Wasser hatte völlig die gleiche Farbe wie die Luft. Man konnte den Horizont gar nicht sehen, mann konnte ihn nur erahnen dadurch daß da über dem Wasser Dampfer schwebten in der Ferne. Das sah aus wie eine Fata Morgana man sich in der Wüste vorstellt. Sowas hab´ich noch nicht erlebt zwischen diesen dänischen Inseln, als wir da geankert haben. Irre Stimmung!" -

"Ich mach´segeln unheimlich gerne, wenn ich auch noch nicht ganz begriffen hab´,was da auf diesem Schiff alles zu tun ist, weil wir ja als Besanmannschaft nur einen Teil der Aufgaben haben und ich die anderen Segel gar nicht kennengelernt hab´, mach´ ich das doch unheimlich gerne, packe auch gerne mit an. Ich finde das ein tolles Gefühl, nur mit der Kraft des Windes irgendwohin zu kommen und sich sogar nach der Windrichtung richten zu müssen, wenn man sich überlegt, welchen Hafen man jetzt als nächstes ansteuert. Es gibt Häfen, die können wir bei bestimmten Windrichtungen gar nicht ansteuern.

Da können wir gar nicht hin gegen den Wind mit diesem Schiff, da müssen wir uns was an-deres überlegen. Wir sind Wind und Wellen ausgeliefert, wir brauchen den Motor normaler-weise nicht, und das find´ ich einfach toll, na gut, irgendwo hat´s natürlich auch mit Romantik zu tun. Also ich hab´ dem Jochen gesagt, wenn er mal ´nen Bootsmann braucht, wenn die anderen ausfallen, kann er mich anrufen. Ich bin mal gespannt, wenn´s bei mir klingelt und Jochen ist dran, dann freu´ ich mich und hoffe, daß ich Zeit habe."

Altes Testament. Genesis. Zitat:

"Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und es war finster in der Tiefe, und der Geist Gottes schwebte auf dem -

- Wasser."

Der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser -

In der "Kulturgeschichte des Wassers" stellt Hartmut Böhme fest:

"Wörtlich übersetzt, wird in der Genesis sogar gesagt, daß Gott ein Sturm auf dem Wasser war. Hat Gott auch das Wasser erschaffen, auf dem sein Geist schwebte ? Er ließ jedenfalls das Wasser unter dem Himmel an besondere Orte zusammenströmen und nannte sie "Meer" und die dadurch entstandenen trockenen Bereiche "Erde".

Gott ließ also Himmel und Erde aus den Wassern entstehen, aber - merkwürdig genug - nirgends sagt uns der Genesis-Text, daß Gott auch das Wasser erschaffen hat! - Das kann man nur so verstehen, daß das Wasser schon immer da war und Gott, oder sein Geist, ein belebendes, gestaltendes, schöpfendes Element des Wassers war.

Wasser - und das gilt heute für alles Wasser, süßes und salziges, Meere, Flüsse und Seen - ist Lebensstoff. Die Leistungen der ältesten Naturphilosophen besteht darin, daß sie das Wasser als die ewige, also unerschaffene und beständige Substanz denken: Wasser ist die Substanz, aus der alle Dinge bestehen. Weil das Wasser keine Grenzen kennt, weil es sich nicht nur in einem natürlichen Weltkreislauf bewegt, sondern in jedem Augenblick auch die Körper aller Menschen und Lebewesen durchströmt, ist es als Lebensstoff in unmittelbar vitalem Interesse."

"Der Urgrund ist das Wasser," erklärte der griechische Philosoph Thales vor 2.500 Jahren. -

"Wasser ist Leben", sagen die Ökologen heute."

Wasser tritt aus der Erde als Quelle, bewegt sich als Fluß, steht als See, ist in ewiger Ruhe und endloser Bewegtheit das Meer.

Es verwandelt sich zu Eis oder zu Dampf, es bewegt sich aufwärts durch Verdunstung und abwärts als Regen, Schnee oder Hagel; es fliegt als Wolke. Es ist der Samen, der die Erde befruchtet. Es spritzt, rauscht, sprüht, rinnt, gurgelt, gluckert, sickert, steht, kräuselt sich, rieselt, murmelt, spiegelt, quillt, tröpfelt, wirbelt, stürzt, bricht, rollt, zischt, wogt, tobt, schäumt, brandet...

Friedrich Wilhelm Nietzsche, 1844 bis 1900, Philosoph:

"Es gibt noch eine andere Welt zu entdecken - und mehr als eine! - Auf die Schiffe, ihr Philosophen!